Ab wann ist jung zu jung? Die zweite Ausgabe vom TROPS-Newsletter! 🚀
Mit dem jüngsten Spieler der Bundesliga, Schikane beim Turntraining, dem ersten offen queeren Profisportler und meinem Lieblingsbuch
Liebe*r Abonnent*in von TROPS,
kannst du dich noch an deinen 16. Geburtstag erinnern? Wahrscheinlich hast du dich gefreut, endlich legal Bier kaufen zu dürfen, mit deinen Freund*innen darauf angestoßen und am Tag danach erst einmal ausgeschlafen. 🥳 Ganz anders lief das bei Youssoufa Moukoko: Einen Tag nach seinem 16. Geburtstag spielte er für Borussia Dortmund in der Bundesliga – und ist damit der jüngste Spieler aller Zeiten. Ist das nicht viel zu früh? Darum geht es unter anderem in dieser Ausgabe von TROPS. Dazu gibt es zwei weitere Geschichten, ein Interview mit Inga Hofmann vom Tagesspiegel zu queeren Sportler*innen, den TROPS-Tipp und das Sport-Foto der Ausgabe.
Bevor es losgeht, noch ein kurzes Danke! Vor zwei Wochen habe ich den Newsletter gestartet und du bist eine*r von über 200 Abonnent*innen, die direkt abonniert haben. Das freut mich sehr und motiviert mich. Wenn du Anregungen oder Feedback zu TROPS hast, dann schreib’ mir gerne. ✌️
Also, was könnte dieses Mal für dich spannend sein?
1. Youssoufa Moukoko ist der jüngste Spieler der Bundesliga – mit 16 Jahren ⚽️
Es gibt im Fußball immer wieder Spieler, die schon als Kinder zu baldigen Weltstars hochgejubelt werden. Klar, die Manager erhoffen sich die nächsten Erfolge und Millionen. Fans und Journalist*innen lieben dieses Spiel mit der Hoffnung auf das nächste Wunderkind. Doch so krass wie bei Youssoufa Moukoko war die Aufregung schon lange nicht mehr.
Wer ist der 16-Jährige? Und sollte man ihn wirklich schon in der Bundesliga spielen lassen?
Moukoko kommt 2014 mit zehn Jahren nach Deutschland. Er spielt im Sturm beim FC St. Pauli und schießt so viele Tore, dass ihn Borussia Dortmund, einer der besten deutschen Klubs, verpflichtet. Schnell gilt er als Ausnahmetalent und überspringt ganze Altersklassen: mit 13 Jahren spielt er schon in der U17.
Dortmund setzt sich vor der aktuellen Saison dafür ein, dass die Altersgrenze für Spieler in der Bundesliga geändert wird: von 17 auf 16 Jahren. Deshalb konnte Moukoko vor einer Woche den Rekord aufstellen. Einen Tag nach seinem 16. Geburtstag wurde er gegen Berlin eingewechselt.
Immer wieder wird Moukoko rassistisch angefeindet. Dabei wird oft sein Alter angezweifelt, Moukoko solle eigentlich älter sein, obwohl es dafür überhaupt keine Beweise gibt.
Es gibt in der Geschichte viele Fälle, bei denen junge Spieler die hohen Erwartungen nicht erfüllen konnten. Rückblickend sprechen sie davon, mit dem riesigen Druck nicht umgehen zu können. Dortmund versucht daher, Moukoko möglichst vorsichtig aufzubauen. Seine Betreuer sagen immer wieder, wie professionell Moukoko daran arbeitet, besser zu werden.
„Ich will keinen Druck aufbauen, aber ich habe in meinem Leben keinen so guten 15-Jährigen gesehen“, sagt Haaland [ein Mitspieler von Moukoko] und baut natürlich doch Druck auf. (Zeit Online)
Ist es nun richtig, Moukoko schon spielen zu lassen? Ich denke: Ob 16 oder 17 Jahre macht keinen großen Unterschied. Das Problem ist wohl etwas größer: Im globalisierten und völlig durchkapitalisierten Profifußball ist wenig Platz für die behutsame Entwicklung von jungen Menschen, „weil man ja mit anderen Ländern mithalten muss“ (dazu sicher ein anderes Mal mehr bei TROPS). Wenn du mehr über Moukoko lesen willst, empfehle ich dir diesen Text von Constantin Eckner bei Zeit Online (mit dem Zitat oben) und dieses Video von der Sportschau.
2. Spitzenturnerin Pauline Schäfer macht Schikane durch ihre Trainerin öffentlich
Nicht nur im Fußball ist der Druck auf junge Menschen riesig: auch beim Turnen. Am Wochenende machte die Spitzenturnerin Pauline Schäfer öffentlich, dass ihre ehemalige Trainerin sie über Jahre schikaniert hat.
Pauline Schäfer ist eine der besten deutschen Turnerinnen. 2017 wurde die heute 23-Jährige Weltmeisterin am Schwebebalken.
Gemeinsam mit fünf weiteren Spitzenturnerinnen erhebt sie im Spiegel schwere Vorwürfe gegen ihre ehemalige Trainerin am Olympiastützpunkt, Gabriele Frehse. Jahrelang soll Frehse die jungen Frauen schikaniert haben.
Die Vorwürfe: Die Trainerin habe die Turnerinnen erniedrigt, ihnen starke Schmerzmittel ohne ärztliche Anordnung verabreicht oder sie in die Essstörung getrieben. Immer wieder habe es verletzende Sprüche wegen Schäfers Gewicht oder ihrer Figur gegeben.
Der Leiter des Stützpunkts sagt zu den Vorwürfen: „Turnen ist nun mal kein Kindergeburtstag.“ Frehse selbst nennt die Vorwürfe „haltlos“. Der Deutsche Turnverband verspricht hingegen Aufarbeitung und Konsequenzen.
„Besonders schlimm wurde es, als ich anfing, eine eigene Meinung zu entwickeln. Nicht mehr nur der kleine Turnroboter zu sein.“ (Schäfer im Spiegel)
Die Journalistin Antje Windmann hat sehr aufwändig recherchiert und mit vielen Turnerinnen gesprochen. Es ist wirklich interessant zu lesen, wie dieser Trainingsstil („Alles für den Erfolg!“) sogar sportliche Erfolge bringen kann – aber zugleich die Menschen kaputt macht. Der ganze Text (€) von Windmann im Spiegel ist hier zu lesen.
3. Benjamin Patch ist der erste offen queere Profisportler in Deutschland 🌈
Nun noch ein ganz anderes Thema – und zwar aus dem Volleyball. 🏐 Benjamin Patch spielt für die Berlin Recycling Volleys (wilder Name, oder?) in der ersten Liga. Seit Kurzem ist er der erste offen queere Profisportler in Deutschland.
Patch ist 26 Jahre alt, kommt aus Utah und spielt seit 2018 bei den Volleys.
„Ich bin definitiv queer“, sagte er dem Tagesspiegel, „ich sage nicht, dass ich schwul bin und ich sage nicht, dass ich hetero bin, denn für mich bedeutet queer sein, offen zu sein.“
Patch fordert mehr Akzeptanz für queere Sportler*innen. Viele würden aus Angst ihre sexuelle Orientierung verstecken.
Er ist sich sicher, dass er seit seinem Coming-Out auch besser Volleyball spielt.
Die Journalistin Inga Hofmann hat für den Tagesspiegel ein lesenswertes Porträt über Patch geschrieben. Zum Text geht es hier. Es geht auch noch um Töpferkurse. 🏺
TROPS-Talk
Mit der Journalistin Inga Hofmann habe ich für TROPS gesprochen – und ich finde, dass klar wird, warum das Thema auch für Menschen mit wenig Interesse für Volleyball interessant sein könnte. ☎️
Hallo Inga, warum ist es etwas Besonderes, dass sich Sportler*innen als queer outen?
Sport an sich ist noch sehr verhaftet im binären, zweigeschlechtlichen Geschlechtersystem. So gibt es ja zum Beispiel Männer- und Frauenmannschaften. Gerade in Männerteams werden krasse Stereotype gefördert und Menschen, die aus dem Raster rausfallen, werden beleidigt oder angegriffen. Es gibt eine homofeindliche Stimmung beim Sport, ein schlechter Pass ist schnell ein „schwuler Pass“. Queere Personen haben es schwer und viele trauen sich nicht, sich zu outen.
Einige sagen, dass sexuelle Orientierung etwas Privates persönliches ist. Warum ist es dennoch wichtig, dass über queere Sportler*innen berichtet wird?
Benjamin Patch meinte nach dem Interview zu mir, dass ihm ganz viele junge Menschen geschrieben haben. Er hätte ihnen Mut gemacht und sie hätten das Gefühl, sie müssten das bei sich nicht mehr verstecken. Genau für solche Menschen ist es wichtig, dass prominente Sportler*innen darüber offen sprechen. Natürlich muss nicht jeder über seine sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität reden. Aber gerade jungen Menschen kann es eben Mut machen und eine Normalisierung von Queerness im Leistungssport wird so vorangetrieben.
Was muss sich denn im Sport noch tun, um es queeren Sportler*innen leichter zu machen?
Es ist wichtig, die strukturelle Problematik zu erkennen: Inwiefern ist vielleicht sogar die Aufteilung in Männer- und Frauenteams problematisch? Und als Sportverein ist es wichtig, sich gegen Sexismus und Diskriminierung zu stellen. Außerdem sollten Vereine wie die Berlin Bruisers, die sich explizit an queere Menschen richten, gefördert werden. Denn für queere Menschen können das wichtige Schutzräume sein.
Liebe Inga, vielen Dank für deine Antworten!
Inga studiert in Berlin und arbeitet als freie Journalistin für den Tagesspiegel. Sie schreibt vor allem über Sport und queere Themen. Und wenn euch das interessiert, könnt ihr hier auf Twitter folgen.
Der TROPS-Tipp 💁
Es ist kalt draußen und vielleicht hast du ja mal wieder Zeit für ein gutes Buch. 📖Dann nutze ich hier 'mal die Chance und empfehle dir mein absolutes Lieblingsbuch: Die Kunst des Feldspiels von Chad Harbach. Es geht um Baseball – aber ich verspreche dir, ich interessiere mich gar nicht für Baseball und liebe es trotzdem. Denn in diesem Buch ist viel mehr: Vor allem geht es um Erwachsenwerden, aber auch um Familie, College-Leben, Liebe, Freundschaft, USA, Selbstzweifel und Selbstfindung.
Der junge Henry Skrimshander gilt als das größte Baseball-Talent seit Jahrzehnten. Er wechselt aufs College – doch auf einmal macht er einen Fehler. Nun ist Baseball eigentlich nur noch eine Metapher (aber eine sehr gute):
„Er wusste, dass es verrückt klang, wenn man es so sagte. Perfekt sein zu wollen. Zu wollen, dass alles perfekt war. Aber in diesem Moment kam es ihm vor, als wäre das der einzige Wunsch, den er seit seiner Geburt gehabt hatte. Vielleicht war es nicht einmal Baseball, was er liebte, sondern nur diese Vorstellung von Perfektion, von einem ganz und gar einfachen Leben, in dem jede Bewegung zählte, und Baseball war nur das Medium, durch das er sein Ziel erreichen konnte. Hätte erreichen können.“
Also: Große Empfehlung. Gibt es auch als Taschenbuch. Und irgendwie passt das Buch ein bisschen zu den Geschichten dieser TROPS-Ausgabe.
Das Foto der Ausgabe ✂️
Viele von uns gehen gerade nicht viel raus. Vielleicht ist das ja die Zeit für ein Frisurenexperiment? Inspiration gibt es beim brasilianischen Fußballer Michael. Bühne frei für den heulenden Wolf am Hinterkopf.
So, das war die zweite (reguläre) Ausgabe von TROPS und ich freue mich sehr, dass du sie gelesen hast.
Wie immer: Wenn du Feedback oder Anregungen für mich hast, freue ich mich sehr. Vielleicht hast du ja auch eine spannende Geschichte gelesen, die für alle interessant sein könnte?
Eine schönen Start in den Dezember und viele Grüße,
Laurenz
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