„Dieses Urteil diskriminiert alle Frauen im Sport“
Die zehnte Ausgabe vom TROPS-Newsletter: Über eine sexistische Beleidigung auf dem Fußballplatz, „Sportswashing“, den Umgang mit Rassismus und High Fives
Liebe:r Abonnent:in von TROPS,
Zeit für das erste Jubiläum! 🥂 Du liest die zehnte Ausgabe von diesem Newsletter. Es freut mich echt, dass du dabei bist.
Dieses Mal geht es um eine sexistische Strafe, die ein Fußballtrainer für einen sexistischen Spruch bekommen hat. Hä? Ja, alle Infos dazu findest du unten. Ansonsten hat Greta Thunberg zu einer Studie über die Verbindungen zwischen „Klimasündern“ und Sportteams getwittert, die ich dir vorstellen will.
Im TROPS-Talk ist dieses Mal Mara Pfeiffer zu Gast. Sie gehört zum Team von FRÜF – Frauen reden über Fußball. Das ist ein toller Podcast, der Perspektiven von Frauen auf den Fußball zeigt. Mara erklärt, warum der Podcast auch für dich spannend sein kann, wenn du dich sonst nicht so für Fußball interessierst. 🎙
Der TROPS-Tipp ist sehr, sehr bewegend – und im Video dieser Ausgabe geht es um High Fives. 🙌
1. Ein Trainer beleidigt eine Schiedsrichterin sexistisch. Zur „Strafe“ soll er ein Frauen-Team trainieren
Ich bin seit über zehn Jahren Fußballschiedsrichter und musste mir schon viele Beleidigungen anhören. Das nervt natürlich, oft sind es aber völlig zufällige Beleidigungen. Schlimmer ist es für die Schiedsrichterinnen: Ich erinnere mich noch, wie ich früher Assistent bei einer Schiedsrichterin war, die Kommentare wie „Kriege ich deine Nummer?“ und Beleidigungen wie „Frauen gehören nicht auf den Fußballplatz“ zu hören bekam. Sowas passiert immer noch – und zwar nicht nur auf dem Dorfplatz, sondern sogar in der Regionalliga, wie der folgende Fall zeigt, bei dem auch danach einiges schiefgegangen ist.
Heiko Vogel ist Trainer bei der zweiten Mannschaft von Borussia Mönchengladbach in der Regionalliga (vierte Liga). Ende Januar sagte er zu der Schiedsrichter-Assistentin Vanessa Arlt: „Frauen haben auf dem Fußballplatz einfach absolut nichts zu suchen.“
Dafür gab es nun die Strafe: 1500 Euro und zwei Spiele Sperre. Dazu wurde Vogel vom Sportgericht „auferlegt“, bis Ende Juni „sechs Trainingseinheiten einer Frauen- oder Mädchenmannschaft seines Vereins zu leiten.“
Es folgte heftige Kritik in den sozialen Netzwerken. Der natürlich richtige Vorwurf an das Sportgericht: Sexismus sollte man nicht mit Sexismus bekämpfen. Es ist keine Strafe, Frauen- oder Mädchen-Teams zu trainieren.
Am letzten Wochenende haben sich auch Spieler:innen geäußert. In einem offenen Brief der Spielerinnen der ersten und zweiten Liga heißt es: „Dieses Urteil diskriminiert alle Frauen im Sport und speziell im Fußball. […] Wir alle fühlen uns beleidigt, diskriminiert und lächerlich gemacht.“ Auch das Spieler-Bündnis, ein Zusammenschluss von über 470 Spieler:innen aus den höchsten Ligen der Männer und Frauen, kritisierte die „Strafe“.
Mittlerweile hat das zuständige Präsidium des Westdeutschen Fußball-Verbands angekündigt, das Urteil und die zusätzliche „Auflage“ prüfen zu lassen.
Hier kannst du den Offenen Brief der Spielerinnen nachlesen. Der Fall zeigt, dass die Spieler:innen mittlerweile eine starke Stimme für den Diskurs werden, dass sie sich zusammenschließen und sich trauen, gegen diskriminierende Entscheidungen von Verbänden vorzugehen. Das ist ein gutes Zeichen.
Dieses Verständnis von Sanktionen ist frauenfeindlich und reproduziert sexistische Bilder, die weder in der Gesellschaft noch im Sport etwas zu suchen haben sollten. Nicht genug, dass Frauenfußball auf vielen Ebenen gegenüber dem Männerfußball Benachteiligung erfährt. In diesem Fall müssen Spielerinnen auch noch dafür herhalten, Männer für ihr Fehlverhalten zu „bestrafen“. – Inga Hofmann, Tagesspiegel
➡️ Im Tagesspiegel hat die Journalistin Inga Hofmann dazu einen starken Kommentar geschrieben, du kannst ihn hier lesen:
2. Unternehmen, die der Umwelt besonders schaden, setzen auf „Sportswashing“ 🏭
Von „Greenwashing“ hast du sicher schon gehört. Darunter versteht man, dass Unternehmen sich durch PR-Kampagnen besonders umweltfreundlich darstellen wollen. Seit Jahren gibt es das so ähnlich auch im Sport, das heißt dann „Sportswashing“. Zum Beispiel versuchen Länder wie Katar, sich durch Events wie die WM 2022 als besonders weltoffen und fortschrittlich darzustellen und ihr Image zu verbessern. 🌿
Eine Studie hat jetzt gezeigt: Unternehmen, die mit ihrem Geschäft besonders heftig der Umwelt schaden, zählen zu den größten Sponsoren im Sport.
Die Studie wurde herausgegeben vom New Weather Institute und listet mehr als 250 Werbe- und Sponsorendeals zwischen den größten „Klimasündern“ und führenden Sportteams auf. Das Ganze läuft durch alle Sportarten, egal ob Radsport, Rugby oder Segeln. Am heftigsten ist es aber im Fußball.
Der größte Sponsor ist die Autoindustrie, danach kommen Fluglinien und Unternehmen wie Gazprom (Erdgas) und Ineos (Chemische Industrie). Beispiel gefällig? In der Formel 1 ist Ineos aktiv, bei dem Tennisturnier Australian Open war 2021 Emirates, ein Öl- und Gasunternehmen, Sponsor. Und Gazprom ist zum Beispiel bei Schalke 04 aktiv. 🌝
Der Vorwurf des New Weather Institutes: Wenn Sportteams mit solchen Unternehmen kooperieren, normalisieren sie Umweltverschmutzung und mindern den Druck für wirkliche Handlungen. Der Co-Director Andrew Simms fordert, dass diese Kooperationen beendet werden – wie früher auch die Kooperationen mit der Tabakindustrie beendet wurden. Schließlich sei der Sport schon bei Themen wie Rassismus ein „Gamechanger“ dabei gewesen, Aufmerksamkeit für ein Thema zu schaffen. 🚬
Auch Greta Thunberg hat zu dem Thema schon getwittert und sich folgendes Zitat von Simms für ihren Tweet rausgesucht:
This is ‘sports-wash’ – when heavily polluting industries sponsor sport to appear as friends of healthy activity, when in fact they’re pumping lethal pollution into the very air that athletes have to breathe, and wrecking the climate that sport depends on.
➡️ Wenn du die ganze Studie mit mehr Beispielen mal angucken willst, kannst du das hier tun. Ansonsten gibt es zum Beispiel beim Guardian einen größeren Überblick von Matthew Taylor:
➡️ Ich bin mir sicher, dass Umweltschutz und Sport eh noch viel stärker zusammengedacht werden (okay, ist auch vielleicht offensichtlich) – wenn du also mal spannende Artikel dazu findest, schick’ sie mir gerne für TROPS! ✌️
3. Erwin Kostedde war der erste Schwarze Fußballer in der deutschen Nationalelf. Darüber spricht er mit Gerald Asamoah
Im aktuellen Zeit Magazin gibt es ein sehr lesenswertes Gespräch zwischen Erwin Kostedde und Gerald Asamoah.
Kostedde war 1974 der erste Schwarze Spieler in der deutschen Nationalmannschaft. Asamoah spielte ab 2001 für Deutschland und war bei den Weltmeisterschaften 2002 und 2006 dabei.
Für das Gespräch treffen sie sich das erste Mal. Sie reden über ihre Kindheit, darüber, wie sie mit Rassismus umgehen, wo sie Rassismus erkennen und wie ihnen der Fußball dabei geholfen hat, akzeptiert zu werden.
Und wissen Sie, was mir am allermeisten wehtut, wenn ich Weißen solche Geschichten erzähle: das fehlende Mitgefühl. Die Reaktion ist oft: Ach, seid doch nicht so wehleidig. Das sei doch alles nicht so schlimm. Ich würde übertreiben, es sei gar nicht so gemeint. Da könnte ich ausflippen: Ihr wollt mich belehren, was Rassismus ist? Wie könnt ihr überhaupt beurteilen, was Rassismus ist, wenn ihr sowas nie am eigenen Leib erfahren habt? – Gerald Asamoah
➡️ Das Gespräch kannst du im aktuellen Zeit Magazin lesen, das noch bis Mittwoch der aktuellen Zeit beiliegt. Ansonsten findest du das Gespräch, das die Journalisten Stephan Lebert und Stefan Willeke moderiert haben, online (Z+):
➡️ Eine tolle Zusammenfassung über die Geschichte von Erwin Kostedde hat der Twitter-User @KittoDario geschrieben. Hier kannst du das Leben von Kostedde nachlesen.
Der TROPS-Talk… mit Mara Pfeiffer ☎️
Im deutschen Sportjournalismus sind viel mehr Männer als Frauen vertreten, vor allem wenn es um Fußball geht. Dass das gar nicht sein müsste, zeigt der Podcast Frauen reden über Fußball. Dahinter steht ein Kollektiv aus Journalistinnen und Fans. ⚽️
Ich habe für TROPS mal bei der Journalistin Mara Pfeiffer nachgefragt, warum es den Podcast überhaupt gibt – und warum du auch mal reinhören solltest, wenn du dich nicht für Fußball interessierst. 🎙
Liebe Mara, viele Menschen reden über Fußball. Warum braucht es speziell einen Podcast für Frauen, die über Fußball reden?
Die Podcastlandschaft ist auch rund um Königin Fußball in den letzten Jahren immer weiter angewachsen und es sind viele tolle Formate entstanden. Ein Podcast, den vermutlich jede*r Fußballbegeisterte kennt, ist der Rasenfunk von Max-Jacob Ost und Frank Helmschrott. Max war in meiner Wahrnehmung der Erste, der Wert darauf legte, als Expert*innen zu einzelnen Vereinen regelmäßig Männer und Frauen gleichermaßen einzuladen. Das war enorm wichtig für die Wahrnehmung vieler Hörer*innen. Irgendwann ist unseren Gründerinnen Rebecca Görmann und Kristell Gnahm beim Zuhören dann mal aufgefallen: Ja, Frauen reden mit. Aber gibt es eigentlich einen Podcast, in dem Frauen miteinander über Fußball sprechen? Denn es verändert eben die Perspektive, wer auf ein Thema schaut. So hat alles angefangen.
Gibt es denn konkrete Themen, wo ihr merkt, dass die Perspektive von Frauen auf den Fußball fehlt und dadurch besonders wichtig ist?
Aus meiner Sicht können wir einerseits auf Themen aufmerksam machen und sie andererseits ergänzen. Ein Beispiel ist für mich die Sendung, in der wir uns mit den Missbrauchsvorwürfen gegen Christiano Ronaldo beschäftigt haben. Das Thema haben die Kolleg*innen beim Spiegel im Zuge hervorragend aufgearbeitet. Wir haben dann mit etwas zeitlichem Abstand nochmal draufgeschaut und uns auch mit Fragestellungen beschäftigt wie: Warum lassen so viele Fußballfans ihm diese Geschichte durchgehen? Was macht das mit Menschen, die selbst Missbrauchserfahrung haben? Wie viel Platz haben vulnerable Gruppen im Fußball? In der aktuellen Sendung beschäftigen wir uns mit sexueller und geschlechtlicher Identität im Fußball und knüpfen damit an den Schwerpunkt des „Erinnerungstags im deutschen Fußball“ an. Ich habe nie das Gefühl, dass wir im luftleeren Raum agieren, sondern empfinde es immer so, dass wir weitermachen auf einem Weg, den andere vor uns eingeschlagen haben.
Warum ist euer Podcast auch für Menschen interessant, die nicht riesige Fans sind und jedes Wochenende die Bundesliga gucken?
Fußball ist ein wunderbarer Sport, den wir alle sehr lieben. Fußball hat aber auch eine enorme gesellschaftliche Komponente und der widmen wir uns. Die Themen, die wir behandeln, sind dem Fußball nicht exklusiv, sondern spielen in vielen Bereichen des Lebens eine Rolle. Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, den ich anführen würde, nämlich, dass ich finde, die Art und Weise, wie wir bei FRÜF zusammengewachsen sind und uns gegenseitig unterstützen, ist in jeder Folge spürbar – und ich hoffe, sie kann andere inspirieren, so füreinander da zu sein.
Inwieweit hat sich die oft sexistische Kultur im Fußball in den letzten Jahren schon verändert? Siehst du vielleicht sogar schon positive Entwicklungen in Bezug auf Berichterstattung und Fankultur?
Ich sehe definitiv positive Entwicklungen im Bereich der Fans. Das ist verschiedenen Gruppen und ihrer unermüdlichen Arbeit zu verdanken, ganz vorne steht da natürlich F_in – Frauen im Fußball, aber auch die Arbeit der Fanprojekte und natürlich die unzähligen Initiativen aus den Kurven selbst haben schon viel bewegt. Wichtig ist, sich darauf nicht auszuruhen, denn der Weg ist trotz aller Fortschritte noch lang. Das zeigt sich auch bei der weiter oft mangelnden Sensibilität, wenn es um übergriffige Kommentierungen bei Fußballspielen geht, oder daran, dass viele Menschen lieber stundenlang Argumente gegen gendersensible Sprache suchen, als sich die guten Gründe dafür anzuhören. Sprache, Kurve und Platz gehören aber zusammen.
Herzlichen Dank für deine Antworten!
➡️ Wenn du dir den Podcast anhören möchtest, kannst du das hier tun. Große Empfehlung von mir ist auf jeden Fall die von Mara schon angesprochene Folge zu den Missbrauchsvorwüfen gegen Cristiano Ronaldo (#04).
➡️ Mehr zu Mara Pfeiffer und ihrer Arbeit als Journalistin und Fußballkrimi-Autorin findest du auch auf ihrem Twitter-Profil.
Der TROPS-Tipp
„Ich bin Shaul Ladany, ein verrückter Geher. Aus irgendeinem Grund glauben die Leute, dass ich eine Geschichte habe, die sie interessieren könnte. Vor allem wegen zwei Tatsachen: Ich bin ein Überlebender des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, ein Überlebender des Holocausts. Und ich habe auch den Angriff auf die israelische Olympiamannschaft 1972 in München überlebt.“
Ladany hält bis heute den Weltrekord über 50 Meilen Gehen und trainiert jeden Tag. Der Journalist Hendrik Maaßen hat für den NDR im letzten Jahr eine kurze Doku über den damals 84-Jährigen gedreht. Er begleitet ihn bei einer Rede zum Holocaust-Gedenktag im Niedersächsischen Landtag, beim nächtlichen Gehen in Tel Aviv und beim Weg durchs Olympiadorf München.
Es ist eine sehr berührende Doku, ich kann sie dir nur empfehlen. Ladany ist ein bewundernswerter Mann und er erzählt sehr bewegend über sein Leben.
Das Video der Ausgabe 📺
Es gibt Sportarten, in denen High Fives zum Standardprogramm gehören. Beim Basketball sieht das zum Beispiel sehr professionell aus. Golfer:innen kennen sich damit aber nicht so gut aus. 🏌️
Belege dafür gibt’s in diesem Video. Mein Highlight ist der bei 0:35. 🙌
So, das war die Nummer 10 von TROPS! Mittlerweile haben schon fast 350 Leute den Newsletter abonniert. Kennst du noch Leute, für die der spannend wäre? Dann kannst du ihn hier weiterleiten. Danke!
Bis in zwei Wochen, dann gibt es die Ausgabe Nummer 11! ✌️
Herzlichen Gruß
dein Laurenz
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